Haftung des Galeristen für ein nicht mehr auffindbares Ausstellungsstück

„Pommes d‘Or“ heißt eine Anfang 1990 entstandene Skulptur eines Münchener Künstlers die dieser für eine gleichnamige Galerieausstellung schuf. Dabei handelt es sich um einen Goldabguss zweier in Kreuzform übereinandergelegter Pommes frites. Zur Herstellung der Skulptur erwarb der Künstler acht handelsübliche Pommes frites, legte diese paarweise übereinander, ließ sie eintrocknen und wählte dann eines der so entstandenen Kreuze für einen Goldabguss aus. Finanziert wurde das Ganze durch die Galerie. In der Ausstellung Ende 1990 wurden neben dem goldenen Pommeskreuz auch das „Originalkreuz“ sowie die „Reservepommeskreuze“ mit eigenen Objektnummern ausgestellt und zu Kauf angeboten. Ein Käufer fand sich jedoch nicht.

„2500 Euro für zwei 17 Jahre alte Pommes?“

„Kunst“ oder verdorbenes Lebensmittel

Im Jahr 2007 verklagte der Künstler die Galerie dann vor dem Landgericht München zunächst nur auf Herausgabe des goldenen Pommeskreuzes. Die Galerie forderte dagegen Zug um Zug die vorherige Erstattung der Herstellungskosten in Höhe von € 3.285,56. Die Kosten hielt der Künstler wiederum für zu hoch angesetzt. Schließlich bezifferte ein Sachverständigengutachten die Herstellungskosten auf € 960,06 und die Galerie erklärte diesbezüglich ein Teilanerkenntnis. Weiter beantragte der Künstler im Laufe des Verfahrens zusätzlich die Herausgabe des Original-Pommeskreuzes und – nachdem die Galerie mitgeteilt hatte, dieses sei nicht mehr auffindbar – Schadensersatz i.H.v. € 2.000,00.

Nach Ansicht des Künstlers stellte auch die Vorlage für den Goldabguss Kunst dar und hätte von der Galerie sorgfältig verwahrt werden müssen. Es gebe ein Sammlerehepaar das bereit sei für das Original € 2.500,00 zu zahlen. Die Galerie vertrat dagegen die Ansicht, der Künstler habe nicht dargelegt, auf welche Weise er die beiden Original-Pommes frites selbst zu einem Kunstwerk erhöht hätte. Diese Objekte stellten lediglich „Dokumentationsmaterial“ zum Herstellungsprozess des Kunstwerks dar. Die Tatsache, dass die Pommes ebenfalls in einer Vitrine ausgestellt worden seien, ändere daran nichts. Die Galerie treffe daher keine Aufbewahrungspflicht. Zudem sein dem Künstler schon kein Schaden entstanden.

Galerievertrag – Auftrag, Kommission und Verwahrung

Das Oberlandesgericht München hat die Galerie mit Urteil vom 09.02.2012 zur Zahlung von Schadensersatz an den Künstler i.H.v. € 2.000,00 verurteilt. Dabei hat es festgestellt, dass zwischen der Galerie und dem Künstler ein „Galerievertrag“ zustande gekommen sei, der als sog. „typengemischter Vertrag“ neben Elementen eines Geschäftsbesorgungsvertrages (§ 675 BGB) sowie eines Kommissionsvertrages (§ 390 HGB) auch einen Verwahrungsvertrag (§ 688 BGB) beinhalte. Und aus dem Verwahrungsvertrag habe sich die Pflicht der Galerie ergeben Gegenstände, die ihr vom Künstler übergeben wurden und die für den Künstler „ersichtlich eine gewisse Bedeutung“ hatten, aufzubewahren. Bei dem Originalkreuz habe es sich um einen derartigen Gegenstand gehandelt.

„Pommes-Kreuz hatte Objektnummer und daher besondere Bedeutung“

Zur Begründung führte das Gericht aus, das Originalpommeskreuz habe in der Vernissage und im Katalog eine eigene Objektnummer erhalten und sei ebenfalls zum Kauf angeboten worden. Weiter habe die Galerie dem Künstler noch im Jahr 2008 die Herausgabe des Originalkreuzes angeboten und dieses nach eigenen Angaben noch 2012 in Besitz gehabt. Dies zeige, dass die Galerie die „Reservekreuze“ nicht als wertlose Alltagsgegenstände ansah, sondern ihnen ebenfalls eine gewisse Bedeutung und einen gewissen Wert beimaß. Bezüglich der Höhe des Schadensersatzes sei der bei einem möglichen Verkauf entgangene Gewinn (§§ 249, 252 BGB) maßgeblich. Das Gericht hörte diesbezüglich eine vom Künstler angebotene potentielle Käuferin als Zeugin. Diese bestätigte in für das Gericht glaubwürdiger Weise, sie wäre bereit gewesen bis zu € 2.500,00 für das Pommeskreuz zu zahlen.

Galerierecht – Streit um Eigentum und Verkaufsberechtigung

Aus Sicht von Rechtsanwalt Dr. Louis-Gabriel Rönsberg, der seit Jahren Mandanten im Kunstrecht vertritt, ist die Entscheidung des Gerichts durchaus nachvollziehbar. Zwar fallen auf den ersten Blick der Materialwert bzw. Arbeitsaufwand im Herstellungsprozess und der vom Künstler geltend gemachte merkantile Wert des originalen Pommes-Kreuzes auffällig auseinander. Dies ist jedoch etwa in der Konzeptkunst oder Videokunst oftmals der Fall. Wie sich dem Ausstellungskatalog zu „Pommes d’Or“ entnehmen lies, ging es dem Künstler bei der Herstellung seiner Skulptur jedoch ausdrücklich um die „Metamorphose eines profanen Alltagsgegenstandes in ein sakrales Kunstwerk“. Schon insofern wäre das Muster für den Abguss als Ausgangspunkt der Verwandlung als ein konzeptioneller Bestandteil des Kunstwerks zu betrachten.

„Der Verlust von Kunstgegenständen und unklare Eigentumsverhältnisse führen regelmäßig zu Streit. Es empfiehlt sich daher eine saubere Dokumentation und vertragliche Regelung.“

– RA Dr. Louis Rönsberg

Nach der Erfahrung von Rechtsanwalt Dr. Rönsberg geht es bei kunstrechtlichen Streitigkeiten neben Fragen der Echtheit bzw. Authentizität von Kunstwerken vor allem um Eigentumsfragen. So werden etwa eingelieferte Kunstobjekte nach der Versteigerung vom Einlieferer oder einem Dritten zurückgefordert oder Künstler und Galerist streiten sich um die Berechtigung zum Verkauf und die Höhe des Kaufpreises. Im Jahr 2013 wurde etwa das New Yorker Galeristen-Ehepaar Cook zur Zahlung von Schadensersatz i.H.v. etwa USD 18 Mio. verurteilt (vgl. Ball v. Cook). Sie sollten im Auftrag eines Sammlers elf Arbeiten u.a. von Picasso, Kandinsky, Klee und Matisse bei Christie’s in London zur Auktion einliefern. Der Sammler erhielt jedoch von den Galeristen weder einen Ersteigerungserlös noch seine Kunstwerke zurück. Auch hier ging es im Ergebnis um die Verletzung von Pflichten aus einem Verwahrungsvertrag durch einen Galeristen.