Es liegt im Wesen jedes Handels, dass der Verkäufer an einem möglichst hohen und der Käufer an einem möglichst niedrigen Preis interessiert ist. Dies gilt für den Kunst- und Antiquitätenhandel in besonderem Maße. Mancher Kunstsammler oder Kunsthändler hat mehr Freude an der Verhandlung eines außerordentlich niedrigen Kaufpreises, als an dem neuerworbenen Objekt an sich. Dabei wird oftmals geradezu darauf gehofft, bei einem Antiquitätenhändler oder im Rahmen einer wenig beachteten Online-Auktion einen bislang verkannten „Schatz“ zu entdecken.
„Beträgt der Kaufpreis mehr als das Doppelte des Marktwertes, so kann eine verwerfliche Geseinnung des Verkäufers unterstellt werden.“
– RA Dr. Louis Rönsberg
Zudem ist dem Handel mit Kunst und Antiquitäten eigen, dass der Wert derselben oftmals nur schwer bestimmbar ist. Alter, Herkunft und Provenienz sind wertbildende Faktoren, die darüber entscheiden können, ob der Wert eines Objekts nur ein paar Euro oder Millionen beträgt. Irrt sich der Käufer oder der Verkäufer eines Kunstwerks oder einer Antiquität über einen dieser Faktoren, so möchte er das Geschäft für gewöhnlich rückgängig machen oder verlangt zumindest Schadensersatz in Höhe der Wertdifferenz. Rechtsanwalt Dr. Louis Rönsberg, Experte für Kunstrecht, kennt eine Vielzahl solcher Fälle.
Zu hoher Kaufpreis für Kunstwerk oder Antiquität
Stellt sich nach einem Kauf oder einer Ersteigerung eines Kunstwerks oder einer Antiquität heraus, dass der vom Käufer gezahlte Preis weit über dem Marktwert liegt, so kann der Vertrag wegen Sittenwidrigkeit bzw. „Wucher“ nichtig sein (§ 138 Abs. 1 BGB). So hat etwa das Oberlandesgericht Bremen im Jahr 2003 einen Kaufvertrag über zwei Gemälden des Malers Armando Gentilini (1912 – 1993) aus dem Jahr 1992 zu DM 100.000 mit Urteil vom 17.12.2003 (Az. 1 U 55/03) für sittenwidrig gehalten. Ein Gutachter hatte die Arbeiten auf je etwa € 1.500 geschätzt. Allein für das Gutachten zahlte die Käuferin € 1.508.
Am „auffälligen Missverhältnis“ zwischen Leistung und Gegenleistung i.S.d. § 138 Abs. 2 BGB bestand bei einer 33-fachen Überhöhung kaum ein Zweifel. Das OLG Bremen nahm jedoch auch die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für eine Sittenwidrigkeit erforderliche „verwerfliche Gesinnung“ des Verkäufers an. Liegen Leistung und Gegenleistung um fast das doppelte auseinander, so unterstellt die Rechtsprechung eine verwerfliche Gesinnung, solange die Vermutung nicht durch besondere Umstände im Einzelfall erschüttert wird.
Die Vermutung der verwerflichen Gesinnung wird beim Kauf von Kunst oder Antiquitäten etwa dadurch erschüttert, dass Käufer und Verkäufer das Wertverhältnis nachweislich vollkommen egal war, etwa weil der Erwerber sehr vermögend ist und den Kaufgegenstand „um jeden Preis“ kaufen wollte (vgl. BGH, Urteil vom 19.01.2001, Az. V ZR 437/99). So kommt es Kunstsammlern und Kunstliebhabern nach der Erfahrung von Rechtsanwalt Dr. Rönsberg in der Regel nicht vornehmlich auf eine „gute Investition“ oder „Rendite“ an. Und manchmal spielt der Preis „keine Rolle“.
Im Fall „Gentilini“ wurde der Verkäufer des Gemäldes letztlich verurteilt, der Käuferin Zug um Zug gegen Rückgabe der Arbeiten den Kaufpreis zurückzuzahlen sowie die Kosten für die Gutachten zu erstatten. Denn das Gericht sah in dem Verkauf der Kunstwerke zugleich eine „vorsätzliche sittenwidrige Schädigung“ der Käuferin, die gem. § 826 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Diesen Vorsatz leitete das Gericht unter anderem aus dem Umstand ab, dass der Verkäufer die Gemälde nach eigener Angabe Mitte der 80-er Jahre für insgesamt DM 20.000 erworben hatte. Ihm habe klar sein müssen, dass sich deren Wert innerhalb von 10 Jahren nicht verfünffacht habe.
In extremen Fällen kann der Verkäufer eines Kunstwerks oder einer Antiquität auch den Straftatbestand des Wuchers (§ 291 StGB) erfüllen. Dieser sieht u.a. für die Ausbeutung der Unerfahrenheit oder des Mangel an Urteilsvermögen, die zu einem Vermögensvorteil führt, der in einem „auffälligen Missverhältnis“ zur Leistung steht, neben einer Geldstrafe auch eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vor. Wird ein Kunsthändler wegen Wucher strafrechtlich verurteilt, so kann der Kunstkäufer regelmäßig auch deshalb zivilrechtlich Schadensersatz verlangen (vgl. § 134 BGB).
Zu niedriger Kaufpreis für Kunstwerk oder Antiquität
Auch im umgekehrten Fall, in dem der Kaufpreis gegenüber dem Marktwert in einem „auffälligen Missverhältnis“ zu niedrig ist, kann der Kunst- oder Antiquitäten-Kaufvertrag wegen Sittenwidrigkeit nichtig sein. Auch in diesem Fall muss beim Käufer eine „verwerfliche Gesinnung“ vorliegen. Nach der Erfahrung von Rechtsanwalt Dr. Rönsberg scheitert deren Nachweis jedoch oftmals daran, dass der Wert von Kunstwerken und Antiquitäten stark variieren kann und schwer ermittelbar ist. Der Verkäufer kann sich dann jedoch u.U. auf einen Irrtum (§ 119 Abs. 2 BGB) berufen und den Kaufvertrag anfechten.
So hat etwa der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 08.06.1988 (Az. VIII ZR 135/87) festgestellt, dass sich der Verkäufer eines Gemäldes, der sich bei der Preisbildung über die Person des Malers geirrt hat, auf einen Eigenschaftsirrtum gem. § 119 Abs. 2 BGB berufen kann. Der Verkäufer hatte ein Gemälde für ein Werk des US-amerikanischen Malers Frank Duveneck gehalten. Nach dem Verkauf wurde es von einem Experten dem deutschen Maler Wilhelm Leibl zugeschrieben. Nach der Auffassung des Gerichts stellt die Urheberschaft eines Gemäldes eine verkehrswesentliche Eigenschaft dar. Ein Irrtum über eine solche, berechtigt zur Anfechtung.
Dabei gilt es zu beachten, dass ein Irrtum über den Wert allein nicht zur Anfechtung berechtigt. So ergab sich etwa im vorgenannten Fall aus dem Irrtum über die Urheberschaft schon gar keine Wertdifferenz. Das Gemälde hatte einen ähnlichen Marktwert, egal ob es von der Hand von Duveneck oder Leibl stammte. Für das Anfechtungsrecht kam es nur auf die Tatsache an, dass sich der Verkäufer beim Verkauf über den Urheber geirrt hatte. Schon das Reichsgericht hat festgestellt, dass ein „Fehler“ eines Bildes selbst dann vorliegen könne, wenn der wahre Schöpfer noch höher geschätzt wird als der Künstler, dem die Vertragsparteien das Gemälde zugeschrieben hatten (RGZ 135, 339, 342f.).
Rechtsanwalt Dr. Rönsberg weist weiter darauf hin, dass beim Verkauf von Kunstgegenständen nach der Rechtsprechung gerade nicht der wirtschaftliche Wert ausschlaggebend ist. Zwar verlangt die Rechtsprechung in anderen Bereichen des Handels, dass der Anfechtende einen wirtschaftlichen Nachteil erlitten hat. Damit soll eine Abgrenzung zwischen einem beachtlichen Irrtum und bloßem „Eigensinn“ bzw. zu „subjektiven Launen und törichten Anschauungen“ geschaffen werden (vgl. RGZ 62, 201, 206). Im Kunstrecht gelten jedoch andere Maßstäbe, da der Kauf von Kunst eben nicht immer nur wirtschaftlichen und rationalen Gesichtspunkten folgt.
Zulässigkeit des Kaufpreises ist Frage des Einzelfalls
Zur Frage der Verhältnismäßigkeit zwischen Kaufpreis und Marktwert hat das Kunstrecht eine Reihe von Urteilen hervorgebracht, die bei der Prüfung des Einzelfalls zu beachten sind, so Rechtsanwalt Dr. Rönsberg. Dabei lassen sich jedoch letztlich kaum verallgemeinerungsfähige Wertgrenzen ziehen. Es müssen vielmehr alle Begleitumstände, etwa die Bedeutung des Kunstwerks für die Vertragsparteien, die Werttransparenz oder die Expertise von Käufer und Verkäufer, Beachtung finden. Will ein Käufer oder Verkäufer Rechtssicherheit, so sollte er sich um einen „fairen“ Preis bemühen. Gerade beim Handel mit Kunst wird dieser immer zu berücksichtigen haben, dass der Wert einer Arbeit nicht zuletzt vom Auge des Betrachters abhängt.